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DIY-Bastelstube & Trends / 01. Juni 2016

Plötzlich Kleingärtner - das erste Jahr der Garten-WG

von Arne

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Da hält man sich ein ganzes Leben für normal, und plötzlich ist man Kleingärtner. Manchmal muss man sich wohl selbst überraschen, um gute Erfahrungen zu machen. Das heißt dann Weiterentwicklung, glaube ich. Von der Entstehung unserer Garten-WG hatte ich ja bereits berichtet und dabei einen ausführlichen Erfahrungsbericht des ersten Gartenjahres in Aussicht gestellt. Einmal kurz in mich gegangen – los geht’s.

Das Schicksal des Hobbygärtners

Eins ist sicher: ich habe selten so viel Neues gelernt, wie in diesem Jahr. Vor einem Jahr gab es für mich nur eine Kategorie für Blumen, und zwar: „Blumen“. Diese ließ sich dann allerdings doch unterteilen, und zwar in große und kleine Blumen sowie in verschiedene Farben. Auch wenn der Fokus im ersten Gartenjahr definitiv auf Nutzpflanzen lag, hat sich mir dennoch die Tür zur Welt der Zierpflanzen immerhin ein Stück weit geöffnet. Zumindest weit genug, um mit meinen neu erworbenen Kenntnissen in Anflügen von Überheblichkeit den Fachmann zu spielen. Allerdings nicht weit genug, dass ich mich von meinen Garten-Profi-Kollegen im Büro bei Volmary dabei erwischen lassen dürfte. Die lassen mich dann nämlich ganz schnell ganz alt aussehen… Aber diese Stufe auf der Leiter ist vermutlich das Schicksal der meisten Hobbygärtner. Und das ist doch auch irgendwie gut so. Mir ist der Spaß an der Sache deutlich wichtiger als der schnelle Aufstieg zum Fachmann. Aus den Fehlern beim Gärtnern lernt man am meisten. Das ist mir klar. Also immer dann, wenn ich mich wieder abgeregt habe…

Wenig Ahnung, viel Motivation

Wenn man davon ausgeht, dass die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln haben, stehen wir hiermit ganz gut da…

Diese Kombination ist viel effektiver, als sie sich anhört. Und ganz sicher besser, als andersherum. So war uns plötzlichen Kleingärtnern klar, dass wir nicht erst ein Gartenbau-Studium abschließen wollten, bevor wir den Gemüseanbau starten.

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Also wurden schnell die Beete und das Gewächshaus vom Unkraut befreit – durch Handarbeit und ohne Chemie, versteht sich – und unter ständiger Betreuung durch Google alles mit Jungpflänzchen und Saatgut bestückt. Daraufhin über Nacht Bekanntschaft mit den (Wölfen im) Kaninchen (-pelz) gemacht und am nächsten Tag von vorne angefangen. Wie eingangs erwähnt, habe ich viel gelernt im ersten Jahr. Auf die Schnelle noch einen Schutzgestell aus Kaninchendraht zusammengezimmert und die Erfolgsgeschichte der ersten Ernte der Garten-WG konnte beginnen. Gärtnern lohnt sich nur mit viel Sachverstand? Ja nee, is klar. Hier mal eine Übersicht unserer planlos erwirtschafteten Ernteerzeugnisse:

”Gemüse”

Mais

Kartoffeln

Rote Bete

Möhren

Zwiebeln

rote Zwiebeln

Schalotten

Frühlingszwiebeln

Knoblauch

Radieschen

Porree

Spinat

Kopfsalat

Feldgurken

Schlangengurken

Kürbis

Zucchini

Tomaten

Cherry-Tomaten

Kohlrabi

Zuckererbsen

”Obst”

Erdbeeren

schwarze Johannisbeeren

rote Johannisbeeren

Kirschen

Pflaumen

Himbeeren

Brombeeren

Taybeeren

Gojibeeren

”Kräuter”

Pfefferminze

marokkanische Minze

Basilikum

Buschbasilikum

Rosmarin

Oregano

Koriander

Schnittlauch

Petersilie

Liebstöckel

Ananas-Salbei

Melisse

Stevia

Lavendel

Lorbeer

Auswirkungen auf den Speiseplan

Genau wie in einer normalen WG müssen in einer Garten-WG Prinzipien für die Entscheidungsfindungen aufgestellt werden. Die einfachste Methode ist wie so oft die beste: eine Person, eine Stimme. Zum Glück ist unsere Mitgliederzahl ungerade. Wer ist dafür, in erster Linie Gemüse anzubauen, das direkt auf den Grill kann? Fünf mal ja. Läuft.

Der Kürbis war das Vorzeigestück der ersten Ernte

Eine weitere neue Garten-Erkenntnis: für vegetarische Neigungen muss man sich nicht schämen. Zucchini, Kartoffeln, Kürbis, Rote Bete, Mais, Tomaten, Zwiebel – im Ganzen oder geschnitten im Alu-Folien-Paket: es gibt nichts Besseres als frisch geerntetes Gemüse aus dem eigenen Garten auf dem Grill. Und dazu Dips mit frischen Kräutern.

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Die Erkenntnis hatte sogar eine nachhaltige Wirkung über den Grillsommer hinaus. Die positiven Erfahrungen beim Experimentieren mit Gemüse haben dazu geführt, dass ich heute deutlich weniger Fleisch esse. Sowas passiert anscheinend, wenn man sich intensiv mit Lebensmitteln auseinander setzt, anstatt immer nur geistesabwesend in Supermarktregale zu greifen.

Der Junge braucht Bewegung

Doch die Gemüsebeete waren ja leider nicht das einzige, was vom Unkraut befreit werden musste. Eigentlich war das gesamte Grundstück fest im Griff von hartnäckigen Wildgewächsen, die in den vorherigen Jahren offensichtlich sehr gut gelebt hatten. Hätten Sie gewusst, dass Liebstöckel knapp drei Meter hoch werden kann? Kann er! Bei unseren 500 Quadratmetern trifft die Bezeichnung Kleingarten nicht wirklich den Kern der Sache. Viel Platz ist ja prinzipiell super, birgt jedoch auch einige Herausforderungen. Unsere Lösung: aus der Not eine Tugend machen und die Arbeit zur Therapieform gegen den Alltagsstress erklären. Hat funktioniert! Meditatives Fugenkratzen hat langfristig genauso eine beruhigende Wirkung wie das Umgraben ohne Rücksicht auf körperliche Grenzen. Egal, was einem mehr liegt, man kann auf jeden Fall seinen idealen Ausgleich zur Büroarbeit finden. Ich bin eher der Umgraber-Typ. Der Muskelkater hat mich bisher nicht vom Weitermachen abgehalten. Durch Gartenarbeit entstandene Müdigkeit ist die angenehmste Form von Erschöpfung. Und ob man es glaubt oder nicht: während andere Leute über Rücken durch Gartenarbeit klagen wurde ich auf wundersame Weise von meinen Rückenschmerzen geheilt. Der Junge brauchte anscheinend nur mal etwas Bewegung.

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Die Integrationsfrage

Eine unserer größten Sorgen vor Antritt unseres Kleingarten-Abenteuers war, ob wir uns in der Gemeinschaft zurechtfinden würden. Zwar sind Kleingärten ein aktueller Trend bei jüngeren Leuten, die dem schnellebigen, digitalisierten Alltag entfliehen wollen. Aber das hat sich in unserer Garten-Nachbarschaft offensichtlich noch nicht herumgesprochen, denn wir ziehen das Durchschnittsalter schon ziemlich herunter. Zudem ist man als Kleingärtner nicht in erster Linie Mieter, sondern Vereinsmitglied. Bei dem Stichwort „Vereinsmeierei“ stellen sich den meisten Leuten – so auch uns damals – die Nackenhaare hoch. Und dann gibt es ja auch noch bestimmte Regeln, die sich aus dem Bundeskleingartengesetz ableiten. Ja, das Gesetz gibt es wirklich – Welcome to Germany! Wir haben das große Glück, dass letztere Regeln bei uns nicht ganz so genau genommen werden. Zwei Mal im Jahr die Hecke schneiden – kein Drama. Den Weg vorm Garten einigermaßen unkrautfrei halten – müsste nicht unbedingt sein, aber da sind wir ja Profis. Zehn Stunden Gemeinschaftsarbeit – mit fünf Leuten auch zu verkraften. Darüber hinaus macht uns keiner Vorschriften, wie wir unseren Garten zu führen hätten.

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Es kommen höchstens mal Bitten aus der direkten Nachbarschaft, ob wir nicht das ein oder andere Unkraut am Zaun entfernen könnten, damit es nicht herüberweht. Und das machen wir dann sogar gerne. Wir wurden sehr gut aufgenommen, nicht zuletzt auch deshalb, weil endlich jemand das verwilderte Grundstück in Angriff genommen hat. Kleingärtnergemeinschaften sind vielleicht nicht jedermanns Sache, aber wenn man sich darauf einlässt, kann man sich darin sehr wohl fühlen. Wirklich jeder steht einem mit Rat und Tat zur Seite. Nachbarschaftshilfe ist selbstverständlich und man hat immer etwas am Zaun zu besprechen. Und was die Vereinsmeierei betrifft: ein, zwei Mal Zapfen auf Vereinsfesten hat sich als unterhaltsame Beschäftigung herausgestellt. Und es hilft bei der Integration. Wie so oft gilt auch hier: auf die Leute zugehen ist immer besser, als Angst vor dem Fremden zu haben.

Plötzlich unnormal?

Klar, die Breaking News, dass meine Freunde und ich plötzlich zu Kleingärtnern wurden, hat bei manchen für Unverständnis und bei manchen für Gelächter gesorgt. Von außen betrachtet, ist sowas vielleicht nicht ganz normal. Und was ist normal? Den Feierabend auf der Couch oder vor dem Computer zu verbringen? Wir haben durch eine „unnormale“ Entscheidung eine neue Welt kennengelernt und sind dem Alltagsstress, Bewegungsmangel, schlechter Ernährung, Langweile und Vorurteilen ein Stück weit entflohen. Das kann ja so schlimm nicht sein. Und wenn jetzt die Sonne rauskommt, klingeln unsere Telefone heiß, weil die Normalen wissen wollen, wann sie im Garten vorbeikommen können…


Von
Arne
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